Phänotypisierung und molekulare Altersschätzung
Rechtliche Grundlage
Bis einschließlich 2018 war es in Deutschland nicht erlaubt, persönliche Informationen aus der DNA zu erheben, die im Rahmen von Strafprozessen analysiert wird (einzige Ausnahme war das Geschlecht einer Person). Im Dezember 2019 wurde jedoch eine entsprechende Änderung der Strafprozessordnung §81 verabschiedet, die die Bestimmung von Augen-, Haar- und Hautfarbe, sowie des biologischen Alters anhand von DNA im Strafverfahren erlaubt.
Darüber hinaus ist die Bestimmung der biogeographischen Herkunft in Ausnahmefällen und auf besondere Anordnung ebenfalls möglich. Im Gegensatz zu der STR-Analyse für die Individualisierung einer Spur oder die Erstellung eines DNA-Profils einer Person werden für die Phänotypisierung solche Bereiche der DNA untersucht und bestimmt (Genotyp), die codierend sind und zur Ausprägung bestimmter äußerlicher Merkmale (Phänotyp) führen.
Prof. Dr. rer. nat.
Micaela Poetsch
Stv. Institutsleitung
Leiterin Forensische Genetik
Fachabstammungsgutachter DGAB
Dr. rer. nat.
Helen Konrad
stellvertr. Leitung Forensische Genetik
Phänotypisierung
Die Bestimmung bezüglich der Augen-, Haar- und Hautfarbe und der biogeographischen Herkunft wird mittels SNP-Analyse (single nucleotide polymorphism = Einzelbasenpolymorphismus) durchgeführt. Dabei handelt es sich um einzelne Varianten innerhalb bestimmter Gene, deren unterschiedlicher Genotyp für eine unterschiedliche phänotypische Ausprägung verantwortlich ist. Damit lässt sich aus dem Genotyp dieser SNPs mit einer speziellen Formel (https://hirisplex.erasmusmc.nl/) die Wahrscheinlichkeit der phänotypischen Ausprägung (in Prozent) berechnen. Dabei kann bezüglich der Augenfarbe zwischen blau, braun, grün und blau-grau, bezüglich der Haarfarbe zwischen blond, braun, schwarz und rot und bezüglich der Hautfarbe zwischen sehr hell, hell, intermediär, dunkel und sehr dunkel unterschieden werden.
Molekulare Altersschätzung
Die Analyse des biologischen Alters wird mittels Methylierungsanalyse durchgeführt. Dabei werden Veränderungen an der DNA untersucht, die keinen Einfluss auf die Sequenz der DNA, aber auf die Eigenschaften der DNA an dieser Stelle haben. Diese so genannten epigenetischen Veränderungen sind ein wichtiger Bestandteil der Regulation der Transkription (Umschreiben der DNA in RNA) bzw. der Proteinbiosynthese, d.h. sie entscheiden wesentlich darüber, wie oft ein bestimmtes Gen abgelesen und damit tatsächlich in ein Protein umgesetzt wird. Dabei gilt: Je stärker ein Gen methyliert ist, desto seltener wird es abgelesen. Da sich die Methylierung definierter Stellen der DNA im Laufe des Lebens in einigen bestimmten Genen bei Personen (in mehr oder weniger gleichem Maße) ändert, lässt sich durch die Bestimmung des Methylierungsgrades dieser Stellen der DNA das biologische Alter einer Person schätzen. Das biologische Alter wird durch exogene und endogene Faktoren beeinflusst und muss somit nicht exakt mit dem chronologischem Alter übereinstimmen. Im Institut für Rechtsmedizin Essen wird die molekulargenetische Altersschätzung mit Hilfe der Pyrosequenzierung durchgeführt.
Qualitätssicherung
Sowohl im Bereich der Phänotypisierung als auch der Altersschätzung nehmen wir jährlich an Ringversuchen teil um die Qualität unserer Analysen zu kontrollieren, auf hohem Niveau zu halten und zu verbessern. Darüber hinaus ist die Methode der Phänotypisierung in unserem Institut seit 2022 durch die DAkkS akkreditiert.
Auch Privatpersonen können eine solche Phänotypisierung oder molekulare Altersschätzung in Auftrag geben.